
Das Buch Thorsten
Ralf zeugte den Günther. Günther zeugte den Bernd. Bernd zeugte den Jens. Jens zeugte den Uwe. Uwe zeugte den Harald. Harald zeugte den Thorsten. Eines Tages ging Thorsten hin, um dem Herrn ein Fischstäbchen zu opfern. Da kam ein Engel zu ihm und sprach: „Menschenkind, opfere deinem Herrn kein zerstückeltes Lebewesen in einem Sarg aus Semmelbröseln, sondern opfere einen ganzen Fisch, so wie er erschaffen wurde!“ Thorsten aber erschrak nicht und sprach: „Das ist kein Sarg, das ist Panade!“ Und er blieb stur. Weil Thorsten so gehandelt hatte, wurde der Herr sehr zornig und sprach: „Weil du so böse und unverständig bist, will ich dich zu einem Baum der Erkenntnis machen. Du sollst ein Baum sein, um dein Los wissen und ewig stehen. Und niemand soll je von Deinen Früchten kosten.“ „Das Buch Thorsten - 47 kulturphilosophische Wort-Buletten aus reinem Hacktext“ Mendelssohn X (Berlin 2013) Illustration und Layout: Volker Maisel, ISBN: 978-3-8442-4104-4, S.13.

Arche Noah
Du sollst ein Baum sein, um dein Los wissen und ewig stehen. „Eine im Ganzen heruntergeschluckte Paprika ist ungesünder als ein 30 mal gekauter Cheeseburger.“ Deshalb schaue ich auch jeden Abend die Tagesschau, anstatt mich ganz den himmlischen Sphären hinzugeben und gleichgültig glücklich die Gegenwart bis zum Tod zu überdauern. Da könnte ich gleich die RTL-II-News schauen, am besten gefolgt vom Erfolgsformat „Frauentausch“ und dann das Programm den ganzen Abend nicht mehr ändern. Nein, nein, Freunde der leichten Unterhaltung! Ein wenig Würze für den Geist ist schon wichtig!“ - Diesen Gedanken führte Thorsten in einer netten Skat-Runde aus. Man lachte nicht. Man kannte Thorsten. Er musste Recht haben. Das wussten alle. Nachdem er die Runde verlassen hatte, fuhr er mit dem Fahrrad runter zum Wannsee und klaute sich ein Tretboot. Er trat panisch in die Pedale und wurde nass aufgrund seines Übereifers. Schließlich gelangte er zur Pfaueninsel und schlief erschöpft auf einem Ameisenhaufen ein. Am nächsten Tag ging Berlin unter. Die vielen Sünden waren dem Herrn schon lange ein Gräuel, lange bevor er den Baum der Erkenntnis konzipierte. Am Ende stand nur noch die Pfaueninsel wie eine Arche. Thorsten wachte erst gegen Spätnachmittag auf. „Das Buch Thorsten - 47 kulturphilosophische Wort-Buletten aus reinem Hacktext“ Mendelssohn X (Berlin 2013) Illustration und Layout: Volker Maisel, ISBN: 978-3-8442-4104-4, S.13.

Das Los der Gedanken...
.. ist nicht Gedankenlosigkeit. Unsere Gedanken nähren sich von Gefühlen und Hoffnungen. Wir bringen Gedanken zur Welt, von denen viele zu schwach sind, um zu überleben. Andere werden gefressen. Nur die, die überleben, werden erwachsen und somit zu Wahrheiten. Und jede Wahrheit muss zuletzt in die Wüste und wieder zur Frage werden. Das ist das Los der Gedanken. „Das Buch Thorsten - 47 kulturphilosophische Wort-Buletten aus reinem Hacktext“ Mendelssohn X (Berlin 2013) Illustration und Layout: Volker Maisel, ISBN: 978-3-8442-4104-4, S.35.

Als es in den anderen Ländern spukte
„Geht es Dir gut? Hast Du was von Thorsten gehört? Bitte melde Dich schnell, ich mache mir Sorgen! Inge“ SMS, Nr. 42 Man kann sich das nicht vorstellen. Nach dem 11.September, Tsunamis und Hurrikans, hatte wirklich niemand damit gerechnet, dass es soweit kommen könnte. Als es in den anderen Ländern spukte, nahm man es zwar wahr, doch es war alles weit weg. Man dachte damals gar nicht darüber nach. Das alles waren nur Nachrichten. Es gab früher immer nur Nachrichten. Nur ab und zu mal was Richtiges... Als es passierte, ging es rund: Ich erhielt 109 SMS innerhalb einer Stunde! Ob es mir gut gehe, oder ob ich jemanden kenne, den es getroffen hat. Mein Facebook-Account nahm kurzfristig überhaupt keine neuen Nachrichten mehr an. Es ging gar nicht mehr um den Krieg oder um irgendein weltpolitisches Thema, es ging nur noch um die Katastrophe. Den gesamten ersten Tag war diese gewisse Spannung zu spüren. Ab dem zweiten Tag sprossen die Verschwörungstheorien. Viel wirres Zeug da draußen. Viel Gerede in Büros und Kantinen. Jeder wusste, dass es Weltgeschichte war. Und auf eine perfide Art und Weise prickelte es. Etwas geriet aus den Fugen, etwas Grosses, was einen immer begleitet hatte. Aber irgendwie ging alles doch normal weiter. Das Land war natürlich getroffen, die Freiheit war kurzzeitig in Gefahr. Aber die Leute hatten mittlerweile ein besseres Gespür dafür, wie das alles kam. Sie meinten nun, die Vorgeschichte zu kennen. Sie flippten nicht mehr aus. „Das Buch Thorsten - 47 kulturphilosophische Wort-Buletten aus reinem Hacktext“ Mendelssohn X (Berlin 2013) Illustration und Layout: Volker Maisel, ISBN: 978-3-8442-4104-4, S.60-61, Abb. S.49.

Latte Macchiato
Ein Samenkorn muss erst unter die Erde, damit es später zur Pflanze wird. Was war das eigentlich? Immer war man da. Seit der Geburt durchgehend gewachsen und dann geblieben. Wieso gehörte einem dieses Dasein nicht? Warum war man nur ein Gast, der sich immer zur Hälfte nach innen orientieren musste anstatt ganz aufzugehen? Tja. Solche Fragen bringen einen leider über-haupt nicht weiter! Man muss Zeit auch verwerten, nicht nur bewerten! Aber genau das ist eben auch schädlich, weil während du grübelst, komische Zellen nach innen schauen und sich verlieren. Die sind halt noch voll survival of the fittest. Müssen sie ja irgendwie auch. Zum Glück. Man braucht eine Galle, die funktioniert, eine Leber, ein bis zwei Nieren, usw. Jetzt mal ehrlich: Der ganze Mensch ist im Prinzip aufgebaut wie ein Wildschwein. Nur diese Prise Reflektionsvermögen, oder auch abgegrenztes Ich, musste da noch oben drauf wie der Schaum auf einen Latte Macchiato. „Das Buch Thorsten - 47 kulturphilosophische Wort-Buletten aus reinem Hacktext“ Mendelssohn X (Berlin 2013) Illustration und Layout: Volker Maisel, ISBN: 978-3-8442-4104-4, S.60-61, Abb. S.90.

Villa Engelbrecht
Logo-Illustration, Tusche auf Büttenpapier, Volker Maisel 2017.

Felsentheater Sanspareil
Linoldruck auf Büttenpapier, Volker Maisel 2006. Im öffentlichen Park „Felsengarten Sanspareil“ nahe Bayreuth befinden sich eine große Anzahl bizarrer Felsgruppen, eine Grottenanlage, Architekturelemente und Skulpturen aus der griechischen Mythologie. Das markanteste Beispiel ist das Felsentheater in Form einer künstlichen Ruine, das noch bespielt wird, unter anderem von der Studiobühne Bayreuth. Das gesamte Ensemble sollte die Kulisse zu Szenen aus dem Roman Les Aventures de Télémaque, fils d’Ulysse (deutsch 1733 mit dem Titel: Die seltsamen Begebenheiten des Telemach) des Erzbischofs François Fénelon bilden. (Quelle wikipedia) Das gewählte Motiv zeigt den zentralen Bereich am Ende der Bühne.